27.01.2020
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Freitag Morgen, 8:30 Uhr, in Düsseldorf. Wir freuen uns auf einen inspirierenden Morgen mit Dr. Monika Hauck, ehemals Model, jetzt Soziale Aktivistin und Managing Director des WHU Entrepreneurship Centers.
Kleider machen Leute
Die Wahl-Düsseldorferin spricht von der Rolle und dem Einfluss den Mode auf unsere Identitätsfindung ausübt. Nun aber steht sie oft im Gegensatz zu unseren Idealen. Sind wir uns bewusst, was wir verursachen, wenn wir ein Textil kaufen, ohne nach seiner Herkunft zu fragen?
Leute machen Kleider
Das ausdrucksstarke Statement auf deinem Shirt stellt sich vielleicht als Ironie heraus, würde man die Geschichte dahinter betrachten: lange, Ressourcen-verschwendende Transport- und Herstellungsbedingungen, menschenunwürdige Arbeitsumfelder und Niedriglöhne sind die Regel in der Fashion Industry. Kurz: Fast Fashion.

Die Ausnahme: Slow Fashion. Die Bewegung, welche die Ausnahme zum Must-Have machen möchte, ist Fashion Revolution, die sich 2013, nach dem Rana Plaza Fabrik Unglück, in Bangladesh, gründete.
Die not-for-profit Organisation treibt ihren Weckruf durch die sozialen Medien: Who made your Clothes? steht auf den Postern, die zum selbst-Ausdrucken auf ihrer Website (fashionrevolution.org) zum Aktionismus bereit gestellt wurden.
Es funktioniert so:
Ausdrucken. Jeder kann ein Foto von sich und dem Appell, in fragwürdiger Klamotte posten und die getragene Marke verlinken. Die Idee: sozialen Druck vom Verbraucher aufzubauen. Das ist nicht neu, aber durch Fashion Revolution zur Erfolgsgeschichte geworden. Mittlerweile reagieren tausende Hersteller auf die Nachfrage mit Social Posts und zeigen die Menschen, die in den Fabriken arbeiten: such einfach mal nach #imadeyourclothes.

Hat sich das System, das unsere Kleidung herstellt, in den letzten 100 Jahren kaum verändert? Wenn man ehrlich ist: es ist asozialer geworden. Weil wir Kleidung lieber neu kaufen, wenn sie kleine Makel bekommt, oder wir unser Gefallen an Trends binden. Design ist schnelllebiger als früher. Die große Nachfrage regelt den Preis nach unten. Die Preisspirale schluckt letztlich die Löhne der Arbeiter.
Monika erinnert sich an den Werkunterricht in ihrer Schulzeit. Die Kinder heute erleben eine Wegwerfgesellschaft, die ihnen nicht mehr beibringt, Dinge zu reparieren. Das riesige Angebot und die SALE-Kommunikation führen zu einer schwindenden Wertschätzung für Socke bis Flatcap.
Fashion, Passion & Compassion
Monika inspiriert uns an diesem wolkigen Freitagmorgen mit Lösungsvorschlägen, die das Thema Slow Fashion und Ethik in die Mitte der Konsumgesellschaft bringen.
Dabei kehrt sie der Modeindustrie, die sie groß gemacht hat, keinesfalls den Rücken. Sie will sie nachhaltiger und zukunftsfähiger gestalten. Ihre Vision wird in ihrem Projekt mit dem unfassbar treffenden Namen Change Room (www.change-room.org) anfassbar.
Was können wir also tun?
Auf einem Powerpoint Chart hat Monika eine Maßnahmen-Pyramide, die „Buyrarchy of needs“ (großartig, oder?!) skizziert. Ihre Slow Fashion Empfehlung:

Gute Herkunft, schlechte Herkunft?
Wir sollten nicht den Fehler machen, jegliche Labels wie „made in Bangladesh“ oder „made in China“ pauschal zu verteufeln. Damit tun wir Firmen unrecht, die gerade in sozial schwachen Regionen dafür kämpfen, die Industrie zu revolutionieren und für bessere Bedingungen sorgen.
Lisa Maria Kunst fragt, ob es vertrauenswürdige Gütesiegel gibt, die uns Verbrauchern helfen, bessere Kaufentscheidungen zu treffen. Auch diese Münze hat zwei Seiten: Zunächst gibt es so viele, dass eine Übersicht und Vergleichbarkeit schwierig ist. Und für die Kunden, die das Fehlen eines Siegels als K.O.-Kriterium betrachten, fallen kleine Labels durchs Raster. Denn: das Vergabeverfahren kostet Geld und mancher Standard, den ein Siegel verlangt, kann von einem kleinen Unternehmen nicht umgesetzt werden.

Bit by bit – Meine Challenge an dich
Bit by bit – Meine Challenge an dich
1) Entschleunige deinen Konsum.
2) Tauschplattformen wie Kleiderkreisel oder Tauschgruppen auf Facebook nutzen
3) 2nd Hand Läden & Flohmärkte besuchen
4) Schneider aufsuchen, wenn der Reisverschluss kaputt ist oder die Naht aufplatzt
5) Fordere Transparenz und werde Teil der Fashion Revolution! Hier gibt es die Poster zum Download.
6) Meine persönliche 2019 Challenge: Konsumfasten. Ein Jahr lang hatte ich mir vorgenommen nichts zu kaufen. Das habe ich… naja – fast – geschafft. Trotz gutem Start haben sich im Herbst ein paar Sneaker (dieses verdammte SALE Angebot) und ein Übergangsmantel mit mir an die Kasse geschlichen. Lasst euch von meinem Konsum-Cheatday auf keinen Fall aufhalten, das Thema bei euch selbst zu challengen. Ihr könnt das besser als ich!

Mein Fazit
Repair Cafés sind eine gute Sache. Schneider sollten wieder ihr hohes soziales Ansehen zurück erlangen – und das nicht nur, wenn ein Anzug auf Maß gewünscht wird. Aber vor allem kann Kleidung eine sozialere Geschichte und unsere Zukunft schreiben. Wenn wir das sehr persönliche Thema – Fashion – mit der Wertschätzung beleben, die es verdient.
#istopfedyourclothes – A creative spark
by @Christina und @Marlin
Make fixing great again? Stell dir vor, es gäbe eine Plattform, auf der talentierte Hobby-Schneiderlein ihr Handwerk anbieten, gegen eine Währung ihrer Wahl. Ähnlich einem Nettwerk, zur Wiederbelebung des Stopfens und Umnähens.
Eine Rentnerin sucht sozialen Kontakt und jemanden, der öfter mal ihren Hund ausführt. Das kannst du zahlen? Dann kann sie dir die Löcher in deiner Winterjacke stopfen. Ein Win-Win-Wau-Wau-Szenario.
Ein Syrer, der in unserem Behördendschungel noch keiner regulären Arbeit nachgehen darf, möchte die deutsche Kultur und Sprache lernen. Du kannst das liefern. Und er liefert dir eine perfekt umgeschneiderte, geliebte Hose, in die du nun wieder rein passt.

Save the date
Next creative „morning“ is an evening: 28.2.20, um 18 Uhr, in Düsseldorf – tba.
Die Veranstaltung wird zeitnah angekündigt auf: creativemornings.com
Last but not least: Ein fettes Merci an Dr. Monika Hauck, den Rotonda Business Club, an Lisa Maria Kunst, Wacom, Mailchimp und WordPress, ohne die dieser Freitag Morgen nicht halb so inspirierend gewesen wäre.